Sonntag, 16. Juli 2017
Das Monster - die Narkolepsie
Nun war es so weit. Ich kann sie nicht weiter verleugnen. Ich kann nicht so tun, als forderte das Monster keinen Raum in meinem Leben. Ich kann es nicht einfach betäuben mit Modafinil und bei Seite schieben.

Ich kann es nicht einfach ignorieren. Ich muss es akzeptieren, ich muss einsehen, dass diese Krankheit mehr ist als eine Lappalie.

Die Dosierung der Modafinil funktionierte seit ein paar Wochen nicht mehr. Zu erst im Mai der Break-Down.
Das Emotionale Sterben um das ich so dankbar war, wurde auf ein Mal zu viel für mich.
Also suchte ich im Juni meinen Neurologen auf. Ich beschrieb ihm die Situation. Das Modafinil und die Coffeintabletten würden nicht mehr zuverlassig wirken. Ich schliefe in Vorlesungen ein und fühlte mich innerlich getrieben.
Er wusste keinen besseren Rat als "dann erhöhen Sie die Dosis." Er hat keine Ahnung von dieser Krankheit. Als ich vor ihm saß, las er die Leitlinie der Deutschen Narkolepsie Gesellschaft. (Yeah, gut vorbereitet, Doc!)
Offenbar war er mit den Empfehlungen darin nicht zufrieden und Telefonierte mit Kollegen, die ihm allesamt etwas anderes empfahlen.
Ich sagte auch, ich hätte den Eindruck zwar wach zu sein, aber könne nicht lernen. "Früher" konnte ich 60 Faust-Zitate in 60 min in genauem Wortlaut wieder geben, heute sitze ich 4h am Schreibtisch und lese einen Text zum 3. Mal und denke mir "noch nie was davon gehört." Er meinte, er könne nichts machen und verabschiedete mich mit den Worten: "Aber Frau O. Sie sind ja nicht dumm. Sie schaffen das schon!"

Die Unverschämtheit dieser Worte wurde mir erst im Nachhinein bewusst. Es verletzte mich. Ich fühlte mich nicht ernst genommen. Aber okay...

'Here we go" - Dosiserhöhung.
Also gut. Dann erhöhen wir die Dosis. Ich merkte, dass ich emotional labiler wurde. Ich fühlte mich leer. trotzdem war die Grundstimmung gedrückt. Weinerlich. Samstag heulte ich und wusste nicht warum. ich versuchte so gut es ging zu lernen. Es klappte nicht. Ich telefonierte viel mit einem Freund. Lenkte mich ab. Denken ging nicht mehr. Sonntag dann der SuperGau.

Der Break-Down

Sonntag wusste ich nichts mit mir anzufangen. Ich lag im Bett, ging hinaus... Ich fühlte mich immer weniger. Lag eine Stunde auf meinem Bett. ich hatte den Verlust des Ich-Gefühls. ich kann es nicht genau beschreiben. Ich fühlte weniger als die Leere. Ich fühlte mich, als bestünde ich aus meinem Kopf. Ausschließlich meines Geistes. Sah mein Bein vor mir liegen, aber hatte keinerlei Bezug dazu. Tränen traten aus meinen Augen. Keine Ahnung wieso ich heulte. Denn, ich war nichts als ein leerer Kopf. Herrin keiner Gedanken. Ich "existierte" und war mir noch nicht einmal sicher, ob ich es tat.

Zurück am Schreibtisch, fiel mir das Lesen schwer. Und aus dem Nichts beschleunigte mein Atem, ich heulte, ich schluchzte. Panik überkam mich. Ich war überfordert. Womit? keine Ahnung. Ich hielt mich nicht aus. Nicht die Leere. Innerlich getrieben, innerlich zerstört. Ich hatte das Gefühl die Last der Welt läge auf meinen Schultern. Mein Kopf befahl meinem Körper sich auf den Boden zu setzen. Oder war es mein Körper - mein ureigener Instikt, der mich auf den Boden zwang? Der Boden reichte nicht. Ich saß unter meinem Schreibtisch. Ich heulte noch immer. Ich rief meine Mutter an. Sie war -Wie immer- keine Hilfe. Also rief ich meinen ehemaligen Mitbewohner an. Es war nachts um 12. Er schlief bereits. Stand aber auf, zog sich an und radelte zu mir. Er nahm mich in den Arm, es war mir zu viel. Er setzte sich zu mir aufs Bett. Er hörte mir zu, er tat mir gut. Allein seine Anwesenheit beruhigte mich. Es waren die Nebenwirkungen der hochdosierten Modafinil. Eine irrationale Angst. Der Verlust des Ichs.
Mein ehemaliger Mitbewohner blieb über Nacht. Es tat mir gut. Er ist der Mensch auf den ich mich verlassen kann. Er ist der Mensch, der mich besser kennt als ich mich. und dafür liebe ich ihn. Keine romantische, klebrig süße, kitschige Liebe. Aufrichtige Liebe, verbunden mit Dankbarkeit. Eine platonische Liebe, die alle Zeiten, alle Partner überdauern wird.

Montag morgen war ich beim Neurologen. Wenn man ohne Termin im Wartezimmer eines Facharztes sitzt, der erste Patient ein Mann ist, der Arzt aus seinem Sprechzimmer kommt um seinen Terminpatienten abzuholen, der Doc schon ansetzt "Herr..."- sein Blick fiel kurz in meine Richtung. Er Stockte im Satz. Der Satz endete wie folgt: "Herr....Fuck.Frau O.!"

Wen einem erwachsenen Mann, Ende 40 in seiner Praxis das Wort "Fuck" enfährt, weiß man ungefähr, wie ich aussah.
Ich saß ihm gegenüber. ich sagte ihm, es wäre mir scheiß-egal was er mir jetzt verschriebe, ich will nur, dass DAS aufhört. Ich zitterte. ich heulte. ich war verzweifelt.
Und mein Arzt nahm mich ernst. Kein "Sie sind ja nicht dumm, Sie schaffen das schon" mehr. Er war besorgt. Er verschrieb mir Ritalin.

Ja, ich habe Angst vor diesen Tabletten. An jedem Kind, das diese Tabletten bekommt (und nicht wirklich ADHS hat, sondern eigentlich mal raus auf den Fußballplatz müsste um sich zu bewegen), wird meiner Meinung nach schwere Körperverletzung begangen. Durchgeführt durch Eltern und Ärzte. Ich als erwachsene Frau nehme sie nicht gern. Aber sie halten mich wach. Ich habe trotzdem einen riesen Respekt vor ihnen.
Seit 13 Tagen nehme ich nun Ritalin.
Es tut mir gut.
Ich habe Emotionen. Normale, in normalen Dosen.
Ich bin fröhlich.
Ich habe keine irrationale Angst vor der Zukunft mehr.
Ich kann lernen.
Aber das beste: ich bin wach. Angenehm wach. Nicht wie unter Modafinil. Modafinil hielt mich wach, aber irgendwie wars keine "angenehme" Wachheit.
Nun bin ich wach, habe ein "normales" Mittagstief, nehme meine 2 Tablette, lege mich 30min hin, wache auf vom Klingelnmeines Weckers, setze mich an den Schreibtisch und behalte den Lernstoff. Nicht so wie mein "gesundes Ich" früher.. aber langsam, ganz langsam behalte ich gelesenes.
Abends, gegen 22.00 werde ich dann müde. nicht so erschlagen wie unter Modafinil. Angenehm müde. Ich nenne es gerne "bettschwer". mein Kopf leicht benommen, die glieder schwer... Zeit fürs Bad.
Ich gehe seit fast 2 Wochen gerne ins Bett. lese noch 20 Minuten, mache das Licht aus, drehe mich um und schlafe.

Keine Albträume mehr. Kaum mehr Schlafparalysen, diese hatte ich mit Modafinil gehäuft.

Auch wehrt sich mein Körper morgens nicht, das Ritalin zu nehmen. Bei Modafinil sah das anders aus. Ritalin braucht zwar länger (es ist retardiert), aber die 1,5 h schaffe ich schon zu überbrücken.

Ich hoffe, es bleibt erst mal so. Im August darf ich endlich ins Schlaflabor. Ich freue mich. Bis dahin sind noch 2 Klausuren, die ich (hoffentlich) gut hinbekomme. Der Neurologe hat mich zwar für alle krank geschrieben, allerdings will ich dieses Semester nicht verloren haben.

Ja, ich muss "Das Monster" in mein Leben integrieren. Ja, ich muss ihm Raum geben. Ich kann es nicht länger ignorieren, verdrängen, versuchen mit Tabletten ruhig zu stellen.

Aber ich werde mein Leben nicht aufgeben. ich muss nun noch ein Semester länger studieren. Ich gebe alles ab, was mich zusätzlich belastet. Hab 1 Klausur geschoben, eine durchgestrichen (mir ging die Zeit aus). Auch meinen Dozenten, der die Bachelorarbeit betreut, werde ich morgen über die Narkolepsie in Kenntnis setzen und um eine Frustverlängerung oder ein neues Thema für kommendes Semester bitten. 8 Klausuren PLUS BA sind doch zu viel...

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