Montag, 17. Juli 2017
António. - Der erste, mysteriöse Abend (1)
Langsam wird es Zeit IHN zu erwähnen. Den Wandel. Oder auch nur den vermeintlichen Wandel.
Es wird auf jeden Fall Zeit für "unsere" Geschichte. Zumindest den Anfang. Wer weiß ob es nicht ein jähes Ende gibt. Soweit ich mich erinnern kann, hab ich das Thema in meinem ersten Eintrag kurz angeschnitten.

"Er" bekommt jetzt einen Namen. Um es anonym zu gestalten ist sein Name -wie jeder andere Name der hier vorkommt- ebenso anonymisiert.

António.

Er selbst verzichtet bei der Schreibweise Seines Namens auf den Akzent. Ich nicht.

Wir lernten uns im Februar kennen. Wenn man das überhaupt Kennenlernen nennen kann. Ich quatschte ihn volltrunken in Kombination mit Modafinil an.

Aber nun der Tag von Anfang an:
Mein ehemaliger Mitbewohner Alex (Auch dieser Name geändert) wohnte damals noch bei mir. Ich hatte Semesterferien und war auf "Heimaturlaub" meine Mama besuchen. Es war ein Freitag. Alex kam nach seiner Arbeit in meine Heimatstadt, wir wollten abends gemeinsam mit meiner besten Freundin und ihren Cousinen weggehen.
Alex kam also in meine Heimatstadt. Wir machten uns fertig zum Ausgehen. Der erste Abend mit Modafinil und Alkohol für mich außerhalb 4 Wänden. Alex wusste bescheid, er sagte, er kümmere sich schon um mich und sorge dafür, dass ich in einem Stück heim käme. Wir wollten es beide ausprobieren. -Es war bekannt, dass ich ab und an Gedächtnislücken habe, mein Wesen sich veränderte, und ich von jetzt auf gleich alle Leichtsinnigkeit über Bord warf und ein "rationaler Automatismus" einsetzte, bei der Kombination mit Alkohol. Alex wollte auch mal Modafinil ausprobieren (da viele dieses Medikament als 'Smart Drug' verwenden um Leistungsfähiger zu sein.) Mir war alles andere als wohl dabei... Er nahm eine, während ich auf der Toilette war und erwähnte es erst danach... Danke.

So weit so gut. Wir waren noch bei meiner Ma, tranken Sekt und Wein, wollten den Bus um 23 Uhr in die Stadt nehmen...
Das taten wir auch. Ich war schon mehr als gut angetrunken. Ich vertrug noch nie viel Sekt.

Wir trafen uns mit Maria und ihren Cousinen... Alex war bereits seit über einem Jahr Single und ist ein Mann der schüchternen Fraktion. Nicht hässlich, kein Instagram-Model... Ein netter Kerl. Wir versuchten ihm mit einer von Marias Cousinen zu verkuppeln... Es gelang nicht so ganz :D aber gut.... Wir hatten in der ersten Bar einen schön Zeit, unterhielten uns, lachten, hatten Spaß.

So weit so gut... Es war 1, es war an der Zeit in einen Club zu gehen... Wir entschieden uns für Smile (auch dieser Name wurde geändert). Eigentlich gar nicht meine Adresse, aber nun gut. Mit verschiedenen Freundeskreisen landet man nun mal in verschiedenen Clubs. Eigentlich gehe ich oft ins -nennen wir es- Jay.

Da waren wir nun im Smile. Und es lief Black. Ich höre ja generell jedes Musikgenre, von Klassik bis Techno... Aber ausgerechnet Black?! Das ist die einzige Musik auf die ich nicht tanzen kann.

Naja, nach 4 Gläsern Sekt und 2 TouchDown in Kombination mit einer Modafinil, kann ich sogar auf Black tanzen.

Und auf einmal sah ich ihn.

ER war hier. Er war im Smile. Ich war verwirrt. Eigentlich ist er doch immer im Jay. Mein betrunkenes Ich sah ihn und dachte sich wohl "hoppla, da stimmt was nicht...geh rüber, sprich mit ihm!"
Er fiel mir schon jedes mal im Jay auf. Nicht nur mir. Er musste jedem auffallen.

Er ist zu alt für beide Clubs. Er ist zu gut angezogen für diese Art von Clubs. Er trägt jedes Mal Chinos, ein Hemd, Jackett, Einstecktuch. Das Jackett sitzt perfekt. Die Manschetten des Hemdes lugen 2 Fingerbreit unter den Jackettärmeln hervor. Er steht nur auf der Treppe des Jay mit einem Glas. Er tanzt nicht. Er beobachtet. Er kennt Gott und die Welt. Bzw. scheinbar kennt ihn die ganze Stadt. Er wird begrüßt, Smalltalk. Und dann steht er wieder -erhaben über das feiernde junge Volk- und beobachtet.
Im Jay sah ich ihn gerne an. Beobachtete aus der Ferne. Erwischte mich dabei "öfter als nötig" die Treppe hoch und runter zu laufen, nur um an ihm vorbei zu laufen.

Gut, nun stand er im Smile und mein berauschter Kopf befahl meinem Körper zu ihm zu gehen. Hier im Smile, auf einer Ebene mit mir und all den anderen, war er keine "unerreichbare Lichtgestalt" wie im Jay. Ich ging also zu ihm und meinte "Was machst du denn hier?! Sonst bist du doch immer im Jay?!".
Er sah mich verwundert an und lächelte.."Freitags bin ich immer im Smile, Samstags im Jay."
An dieser Stelle habe ich die erste "Gedächtnislücke" durch das Modafinil und den Alkohol. Vieles habe ich im Nachhinein erzählt bekommen, manches ist noch Bruchstückhaft vorhanden...
Was ich noch weiß: ich meinte, er wäre mir aufgefallen, weil er immer so gut gekleidet wäre und dass viel Männer sich nicht mehr anzuziehen wüssten... Er meinte daraufhin, er trage heute sogar Lackschuhe. OhKay. Nun folgte eine Frage meinerseits, die unweigerlich bei diesem erwähnten Detail nicht mehr gestellt werden müsse. Sie war obligatorisch. Ich war bereits enttäuscht, dachte die Antwort bereits zu kennen... "Entschuldige die Frage... Aber, bist du schwul?!" Er lachte. ich war überrascht, ich glaube ich wurde rot. Er meinte "Das muss dir nicht peinlich sein. Du bist nicht die erste, die mich das fragt...Nein, ich stehe definitiv auf Frauen!" ich war erleichtert und erfreut. Und selbst überrascht von diesen Gefühlen.
Ich glaube wir unterhielten uns noch ein wenig im Smile, bis er meinte, er würde gerne rauchen gehen, ob ich mitkäme... Natürlich kam ich mit raus.
Ich trug ein schwarzes Kleid, Nylonstrumpfhosen und Pumps, einen Taillengürtel zum schnüren. (Ich trage zum Ausgehen immer ein Kleid, meißt mit Halterlosen, nur das Kleid dieses Abends war zu kurz.)
Da standen wir nun vorm Smile und unterhielten uns... Ich glaube, ich fror. Er bot mir sein Jackett an, welches ich dankend annahm, er half mir hinein. Ich sah das Etikett. Montego. Hausmarke von P und C und war das erste mal überrascht. damit hatte ich nicht gerechnet. Es saß an ihm hervorragend.
Da stand ich nun. Betrunken. in einem Kleid, einem Jackett, welches viel zu groß war, mit einem Mann, der viel zu alt für mich schien, der mir aber sehr gut gefiel. Ich glaube, ich redete zu viel... Ich glaube, er wollte schon wieder hinein gehen... Das Schleifchen meines Taillengürtels verabschiedete sich gerade... Er wies mich darauf hin.. Ich versuchte vergebens ihn neu zu binden... Mein Kopf sagte schon "Scheiße, Aurelia...Verkackt. Du bist zu betrunken... Du bekommst noch nicht mal mehr deinen Gürtel zu, geschweige denn einen eleganten Mann mittleren Alters von dir zu überzeugen!" und dann fragte er noch, ob er mir behilflich sein könne...
Ich meinte, dass es wohl besser wäre...

Er trat näher an mich heran, nahm die schmalen glattledernen Enden des breiten Wildleder Taillengürtels, welcher mich einmal umschlang und zog an den Enden um ihn zu straffen... Und folgender Moment, sollte alles ändern.

Ich blickte ihn an, während er die Enden zu einem Knoten verschlang, er blickte mir flüchtig in die Augen, verharrte in meinem Blick. Und ich sagte ein Wort, nur ein einziges:

"fester."

An diesen Moment erinnere ich mich so klar, als wäre es gestern gewesen und ich nüchtern. Ich sah etwas in seinen Augen. Etwas, das mir bekannt vor kam. Nun war es egal, dass ich zuvor zu viel redete, egal wie viel ich getrunken hatte.
Das Gespräch lief wieder... Er fragte mich, ob ich mit ihm nach Hause käme auf ein Glas Wein.
So viele Gedanken in meinem Kopf. Etwas in mir schrie "JA! JA, ich WILL mit dir nach Hause!" eine andere Stimme in meinem Kopf meinte: "Wenn du jetzt mit ihm heim fährst, dann bist du nur eine Nummer, nur ein Mädel, das er vögelt." "Aurelia, du willst ihn doch! Du hast es dir so oft im Jay vorgestellt, auch als du noch einen festen Freund hattest!"
Bevor ich eine Entscheidung fällen konnte kam Alex aus dem Club. Ich weiß nicht, wie lang António und ich da draußen standen. Alex sah António und mich stehen, er war fassungslos.

Er, der ruhige, zurückhaltende, schüchterne Alex (Modafinil+Alkohol=miese Kombi) Riss mir das Jackett von den Schultern und fragte mich, ob ich sie noch alle hätte. Er fragte mich ob ich spinne. Ich wollte ihm den Haustürschlüssel meiner Ma in die Hand drücken und sagen, dass das in Ordnung sei. Dass ich auch mit António heim fahren würde, wenn ich nüchtern wäre... Alex war so aufgebracht. So kannte ich ihn nicht... Er nickte zu António und meinte "Aurelia, du spinnst! Der is mindestens 100!!" ich versuchte zu deeskalieren.
Aber ich war auch aufgebracht. Ich fühlte mich bevormundet. Ich schickte Alex rein, nachdem er sich weigerte den Schlüssel an sich zu nehmen. António beobachtete es aus der Ferne. Oh gott, war mir Alex' Szene peinlich. Ich verabschiedete mich schon mal wieder gedanklich davon, jemals Antónios Wohnung von innen zu sehen.
Maria kam vor die Türe. Wir sprachen ruhig miteinander. Auch sie fand, dass es keine gute Idee sei mit António heim zu fahren. Aber ich erklärte es ihr. Das war der erste Mann, der mich interessierte, seit dem mein Ex mich im Dezember verließ. Wir redeten in Ruhe, sie sagte: "Aurelia, ich kenne dich... Willst du das wirklich?" Ich sagte nur "Ja, das will ich wirklich, bitte gib Alex den Schlüssel und sag ihm, es täte mir Leid." Sie bejahte es, nahm den Schlüssel an sich und verschwand im Smile.
António kam, sichtlich belustigt und blickte mich fragend an... Ich erklärte ihm, dass Alex mein Mitbewohner sei und nur um mich besorgt, aber alles geklärt wäre und wir jetzt gehen könnten...António blickte mich an und sagte "Es gibt sowieso die Regel 'No sex at first night' kommst du trotzdem mit?" "Natürlich komme ich trotzdem mit!" Ich dachte mir 'Das sagt er jetzt nur so!' "Ich muss noch meine Jacke holen!" -"Gut, Aurelia, wir holen deine Jacke!"

Ich stand in der Schlange vor der Garderobe, noch immer in seinem Jackett, er wartete am Ausgang, hinter mir. Ich suchte die Garderobenmarke in meinem Geldbeutel. ich hörte ein Mädel sagen "oh gott, die is so betrunken, dass sie nicht mal ihre Garderobenmarke findet!" (mein Geldbeutel hat ne Million Fächer. Ich finden nüchtern noch nicht mal meine Bankkarte auf anhieb.) Ich fand sie doch.
Aber mein Kopf dachte sich "Oh gott. Alle wissen es. Sie staren dich an." Es kam mir vor, als grinsten mich alle um mich dreckig an. Und António grinste auch so. Er sprach mit dem Türsteher, als ich nur 1,5m von ihm entfernt war. Auch dieser schien zu grinsen.

Und dann war er da. Der nicht steuerbare Impuls. Der Moment, den ich als den "Moment der reinen Vernunft" bezeichne. Mein Kopf übernimmt die Steuerung über meinen Körper. Ich kann nicht eingreifen. Mein Kopf sagte "Du gibst ihm sein Jackett, du entschuldigst dich, dass du nicht mit zu ihm fahren wirst, nimmst deine Jacke und gehst zurück ins Smile zu deinen Freunden."
Und genau das tat ich. Er bekam sein Jackett und ich sagte, es täte mir leid, aber ich könne nicht.
Auch der Blick dieses Moments ist mir im Gedächtnis eingebrannt. Verwirrung. Entsetzen. Anerkennung.

Und ich ging zurück zu meinen Freunden. Alex und Maria waren erleichtert..."ich bin nicht gefahren, ich bleibe hier!" Ich war sauer. Sauer auf mich selbst. Ich wollte doch mit ihm nach hause?! Gut.. Erst mal nen Gin Tonic an der Bar holen...Zurück bei meinen Freunden... ich blickte noch einmal zur Bar. Und da stand auch er wieder und sah mich verwirrt an. Ich blickte verbittert über meine Entscheidung wehmütig zurück.


António war nicht nach hause gefahren.



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